Sonntag, 21. September 2008

Hallo Welt! - Podcast #2: Barcelona

Alex kommt aus Düsseldorf und wohnt nun seit 6 Jahren in Barcelona. Warum, wieso weshalb und was es eigentlich noch für Unterschiede zwischen Deutschland und Spanien gibt, erfahrt ihr in der langersehnten zweiten Ausgabe des Podcasts.

Ein kleines Interview am Strand:

»Hallo Welt! #2

Montag, 8. September 2008

Marianne

Marianne, 49, zwei Kinder, erwachsen oder fast, das Leben ist noch nicht vorbei, Marianne. Verbranntes Gummi, Angst vor Dunkelheit verbunden mit hellen Lichtern. Marianne, jeden Tag 15 Minuten weinen in der Firmentoilette, für Freiheit und Frieden und seelisches Gleichgewicht. Das ist keine Einsamkeit, Marianne, du bist doch gar nicht alleine. Deine Mutter war alleine, aber nicht du und das ist auch schon lange her bei ihr. Es ändert sich gar nichts und wenn sich was ändert ist es nur neue Farbe oder eine andere Tapete, aber die Mauer bleibt immer die selbe. Es gibt Regeln, Marianne und wo es keine Regeln gibt, gibt es immerhin Grundsätze. Da kann man immer nach gehen. Sieben Tage Regen, Marianne, du kannst wegziehen, wenn du willst. Tun die Kinder auch bald. Ihr seid zu zweit, das wird auch so bleiben. Das weißt du und das weiß er. Gespart habt ihr auch und Marianne, wo es nichts gibt, gibt es auch nichts zu holen. Geh raus, Marianne, geh raus und stell fest, dass es drinnen schöner ist. Kochen kann eine Kunst sein, Marianne, an Kunst muss man nur glauben, denn wenn man dran glaubt, kann man andere überzeugen und dann glauben alle und du bist ein Künstler. Am Ende ist es doch immer so: Ein Samstagabend in der Woche ist genug. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Genau einer, genau richtig. Es ist alle deins hier, Marianne und wenn du pünktlich zahlst kann es dir keiner nehmen. Häng deine Träume auf die Leine, auf den Balkon, zeig sie allen. Aber sieben Tage Regen, Marianne, sieben Tage Regen.

Montag, 1. September 2008

Paul

Nennen wir ihn Paul. Natürlich heißt er nicht Paul, heute heißt niemand mehr Paul, aber der Name passt zu ihm, er ist ein Paul. Er ist Paul. Der Paul.

Paul hat die Fähigkeit, verschieden große Schachteln logistisch möglichst sinnvoll und sicher in große Kartons zu verstauen. Das kann man nicht lernen, da gibt es keine Ausbildung für, das hat man im Blut. Oder eben nicht. Paul hat es im Blut.

Von Montags bis Samstags steht er jeden morgen ab zwei Uhr in einer alten Lagerhalle, die nach Motoröl, Kaffee und Arbeit stinkt und puzzled. Mal 26 Teile, mal nur 15, ab und zu vielleicht sogar 32, aber nie mehr als 40. Dafür immer in 3d.

Paul ist 39 und sieht aus, wie 29, was in seinem Fall aber kein Vorteil ist. Er könnte jedes Alter haben, vom Gesicht, dem Körperbau und seinen Gesten her, aber es interessiert eigentlich niemanden. Paul ist für seine Mitmenschen so identitäts- wie alterslos. Er wohnt bei seiner Mutter. Jeder weiß das, nicht weil ihn mal jemand gefragt hat oder er das selbst gesagt hat, sondern weil Menschen wie er immer bei der Mutter leben. Es passt einfach zu perfekt.

Niemand weiß etwas über ihn. Ob er alte Rätselhefte vergleicht und akribisch abheftet. Ob er nachts durchs Fernsehen zappt, auf der Suche nach Telefonsexwerbung. Ob er jemals eine dieser Hotlines angerufen hat oder selbst dazu zu schüchtern war oder sogar so süchtig danach ist, dass er sein gesamtes Gehalt dafür verbraucht. Ob er Hobbyornithologe ist oder sich mit den scharfen Deckeln von Konservenbüchsen, vor denen ihn seine Mutter als Kind gewarnt hat, Poesie in die Brust ritzt. Niemand weiß es und niemand will es wissen.

Er fährt Bus oder Motorroller, was ja eigentlich das Gleiche ist. Er isst ungesund, aber nimmt, abgesehen von seinem kleinen Bauchansatz, einfach nicht zu. Er trinkt nie viel, weil es ihm peinlich ist, dass er dann anfängt viel zu erzählen. Er schläft den halben Tag, weil er die ganze Nacht arbeitet. Er ist Nichtraucher, aber steht mit den anderen in jeder Pause draußen auf dem Hof und hört ihnen zu. Wenn er wählt, wählt er links oder rechts. Weil ihn die anderen Parteien enttäuscht haben. Warum, weiß er nicht, aber er hat das mal gehört und die Programme der im weitesten oder engsten Sinne radikalen Parteien sind eben schon per Definition leichter zu verstehen. Manche sagen, früher war alles besser und er war zwar „früher“ nicht dabei, sieht aber, dass „heute“ alles schlecht ist.

Er geht auf jede Betriebsfeier. Er geht danach immer alleine nach Hause. Er sagt der Trend geht zu Einbauküchen. Niemand hört ihm zu. Paul hat gar keine Küche. Paul gehört zu keiner Zielgruppe. Er ist nicht solvent genug für den Einzelhandel, nicht attraktiv genug für die Frauen, nicht laut genug für die Männer und mit Tieren kann er auch nichts anfangen. Paul hat nicht einmal ein Beuteschema. Er hat keine Träume und keine Ziele, von denen irgendjemand wüsste. Nur einen neuen Auspuff braucht er. Für sein Mofa.